Die professionelle Zahnreinigung oder kurz PZR wird von vielen Zahnärzten angeboten, sie gilt unter Experten gerade bei Parodontose als unverzichtbar für eine prophylaktische Mundhygiene. Der Hintergrund: Mit der Zahnbürste schafft es ein Mensch definitiv nicht, sämtliche Rückstände von Plaques zu entfernen, die Karies und Parodontose auslösen. Sollte die Parodontose schon fortgeschritten sein, wird die PZR immer wichtiger. Eine IGeL-Studie (Individuelle Gesundheitsleistungen) bezweifelt nun den Nutzen dieser Maßnahme, bezieht sich aber nur auf Patienten ohne Parodontose (nachzulesen unter http://www.igel-monitor.de/IGeL_A_Z.php?action=abstract&id=74). Der SPIEGEL kontert mit den Gegenauffassungen der Zahnärzte in einer aktuellen Online-Ausgabe unter http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/professionelle-zahnreinigung-pzr-wie-aerzte-ueber-den-nutzen-streiten-a-868706.html.
Streit über Gutachten
Das Gutachtergremium der IGeL-Studie war für die gesetzlichen Krankenkassen tätig, die ständig neue IGeLs herausbringen und sie bei Erfolg in den GKV-Leistungskatalog übernehmen. Das Grundprinzip hierbei besteht darin, dass Individuelle Gesundheitsleistungen von Ärzten den gesetzlich Versicherten angeboten werden, die sie selbst bezahlen müssen. Wenn diese IGeLs stark nachgefragt werden und sich – das ist der springende Punkt – als medizinisch sehr hilfreich erweisen, übernimmt sie die GKV in ihren Leistungskatalog. Das System ist eigentlich gut durchdacht, doch die gesetzlichen Kassen zahlen nicht unbedingt gern und freiwillig für neue Leistungen, denn Sparen ist an allen Fronten angesagt. Daher kann es durchaus vorkommen, dass neue IGeLs kritisiert werden, und sei es per Gutachtergremium. So geschehen bei der professionellen Zahnreinigung.
Dass sie erforderlich ist, dürfte kaum bezweifelt werden. Wer seine Zähne richtig putzen möchte, braucht eigentlich eine korrekt zu befolgende Anleitung etwa in der Art, dass eine Zahnbürste mit einem 45°-Winkel gegen das Zahnfleisch gestellt werden müsse – wer schafft das schon? Selbst wo die Borsten liegen sollen (teils auf dem Zahnfleisch, teils auf der Zahnoberfläche) schreiben Experten vor, der Anpressdruck wird ebenso definiert wie die Bewegungen der Bürste. Da kann Otto Normalzahnputzer noch so lange üben, das bekommt er nicht hin. Daher also die PZR, die etwa halb- bis ganzjährlich für die Plaque-Entfernung sorgt. Das hat sich bewährt und führt definitiv zu mehr Zahngesundheit. Die Autoren der IGeL-Studie wollten das indes anders sehen, auf wahrscheinlich sanftes Drängen des MDS (Medizinischer Dienst des GKV-Spitzenverbandes) konstatierten sie: Bei Erwachsenen ist die PZR in ihren Ergebnissen als „unklar“ zu bewerten. Hierbei wurden allerdings ausdrücklich Personen ohne Parodontose untersucht. Das erwähnen die Autoren auch, nur kommt ein falscher Grundtenor zustande, denn weiter heißt es in der IGeL-Studie auch, dass eine jährliche Pflegeanleitung für die Zähne wohl ebenso hilfreich sei wie die PZR. Das mag wie ein Weihnachtsmärchen klingen, wurde aber von seriösen Experten publiziert. Weiter werden in der Studie die Ergebnisse von Nachuntersuchungen als kein Beleg für den PZR-Nutzen präsentiert.
Reaktion der Zahnärzte
Die Zahnärzte laufen Sturm gegen die MDS-Veröffentlichung, sie verweisen auf das Erfolgsmodell PZR. Ärztevertreter verweisen auf die Evidenz, die gerade bei professioneller Zahnreinigung längst belegt sei. Doch der IGeL-Monitor verfolgt in seiner Studienpublikation einen handfesten wirtschaftlichen Hintergrund, denn die Studie untersucht lediglich die in der GOZ (Gebührenordnung für Zahnärzte) aufgeführte PZR, die aus Sicht der Experten unvollständig ausfällt: Hierbei werden lediglich Zahnbeläge am und über dem Zahnfleischsaum entfernt. Das genügt freilich nicht, auf die Stellen unterhalb des Zahnfleisches kommt es an. Die GOZ hat hier falsch definiert. Zudem ist die Studienauswahl des IGeL-Monitors mangelhaft, wie die Bundeszahnärztekammer kritisiert. Es geht nicht um den PZR-Nutzen für gesunde, sondern für parodontitische Zähne, die leider bei 70 Prozent aller Deutschen anzutreffen sind. Hierbei stellt die PZR aus Sicht der Zahnärzte sogar die wichtigste prophylaktische Maßnahme überhaupt dar. Frühere skandinavische Studien schon seit den 1970er Jahren stützen übrigens die Meinung der deutschen Zahnärzte. Der Ausgang der Diskussion bleibt allerdings offen, denn letzten Endes sitzt der MDS bei der Entscheidung über notwendige Leistungen im GKV-Katalog am längeren Hebel.